Verschwendung von Steuergeldern in ungeahnter Höhe in der Bildungsverwaltung ruft nach Aufklärung
Von Rüdiger Barney
Jeder kennt sie – die vergessene Stahlbetonbrücke, die trutzig und beleidigt in der freien Landschaft steht. Hingesetzt auf Geheiß von Politikern, die sicher einmal eine Straße dazu bauen wollten, um zu verbinden. Gut gemeint, aber wohl schlecht gemacht und Grund für die Rechnungshöfe, derartige Fehlplanungen Jahr für Jahr anzuprangern – die Palette von derart teurem Missmanagement erweitert sich Jahr für Jahr. Immer bleibt dann die Frage, welche Konsequenzen denn daraus gezogen werden sollen? Oder etwas konkreter: Wer trägt die Verantwortung und wie stellt sich diese dann im Einzelnen dar? Handelt es sich um vorsätzliches und bewusstes Fehlverhalten oder „nur“ um wiederholte Fahrlässigkeit?
Gleichwohl sollte immer auch eine persönliche Verantwortung in Betracht gezogen werden. Stabel und Seyffert, ehemals Leiter der Ballettschule, sind öffentlich rehabilitiert. Fest steht, dass die Entscheidungsträger/innen und deren Gehilfen in der Bildungsverwaltung diesen Menschen Schaden in erheblichem Ausmaß zugefügt haben. Im juristischen Ergebnis unterlag das Land Berlin in allen Belangen und das Gericht ordnete die Wiedereinsetzung von Stabel und Seyffert in den Dienst des Landes Berlin an; damit scheint zunächst einmal „der Deckel drauf“.
Der Anfrage des FDP-Abgeordneten Stefan Förster ist es zu verdanken, dass das finanzielle Ausmaß dieser Auseinandersetzung ans Tageslicht kam. So ist zum Beispiel nicht nachvollziehbar, warum die Bildungsverwaltung eine private Anwaltskanzlei mit der Wahrnehmung der Landesinteressen beauftragte, zumal immer auch ein im Dienste des Landes stehender Rechtsvertreter mit der Sache befasst war. Die Kosten dafür beliefen sich auf ca. 30.000 €.
Eine von der Bildungsverwaltung eingesetzte „Clearingstelle“ sollte als Anlaufstelle für diejenigen dienen, die Beschwerden gegen die Schulleitung vorzubringen hatten. Sie bestand drei Personen, zwei Psychologen/innen und einem Pädagogen. Es ist bekannt, dass 354 Personen mit der Clearingstelle in Verbindung standen. Die Stelle verfasste einen Abschlussbericht. Über die Anzahl gemeinsamer Sitzungen gibt dieser keine Auskunft. Wie dann allerdings insoweit Kosten in Höhe von 60.000 € entstehen konnten, bleibt unklar.
Zusätzlich wurde zeitgleich eine „Expertenkommission“ berufen, die zuletzt aus fünf Personen bestand und zusätzlich von einem Juristen beraten wurde. Über deren Expertise gab es – vorsichtig ausgedrückt – unterschiedliche Meinungen. Außerdem wurde kritisiert, dass der „Expertenkommission“ ausschließlich Männer angehörten – ging es doch um die Einschätzung der Problemlage an einer Schule, die zum überwiegenden Teil von Mädchen und jungen Frauen besucht wird. Der Abschlussbericht dieser Kommission ließ die Anzahl der Sitzungen ebenfalls offen, zur Faktenlage trug er wenig bei. Auch hier bleibt nicht nachvollziehbar, wie es zu Kosten von 75.000 € kommen konnte, zumal einige Mitglieder der Kommission Bedienstete des Landes Berlin waren und ihre Aufgaben somit innerhalb ihres Dienstes wahrnehmen konnten.
Nicht nachvollziehbar bleibt auch, warum eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der Prüfung der schulischen Eigenbewirtschaftung beauftragt wurde. Sie wurde mit 32.000 € bedacht.
Trotz bekannter Klagen gegen die Kündigungen initiierte die Bildungsverwaltung bereits im Frühjahr 2020 eine Neuausschreibung der Schulleiterstelle. Wie es hier zu Kosten in Höhe von 80.000 € kommen konnte bleibt unerklärlich. Übrigens führte diese Ausschreibung offenbar nicht zum gewünschten Erfolg und verlief im Sande.
Erhebliche Personalkosten über mehrere Jahre erzeugten verschiedene, fachfremde kommissarische Schulleitungen, darunter ein studierter Maschinenbauer.
Die Berliner Presselandschaft nahm sich der Ballettschulthematik intensiv an. Dabei wurde nicht in allen Zeitungen „senatstreu“ berichtet. Gegen eine Berliner Tageszeitung wurde geklagt, Kosten bisher 31.000 €.
Selbst bei vorsichtigen Schätzungen dürfte sich der Gesamtschaden außerhalb der Millionengrenze bewegen.
Mal abgesehen von der Frage nach der Fürsorgepflicht des Landes Berlin für seine Bediensteten muss sich der aufgeklärte und mündige Bürger doch zumindest zwei Fragen stellen:
Musste es zu dieser Kostenexplosion kommen und welche Konsequenzen ziehen die beteiligten Entscheidungsträger aus der Misere?
Nach meiner Einschätzung trägt allein die Bildungsverwaltung die Verantwortung für die exorbitanten Kosten für den Steuerzahler. Es hatte Vieles dafür gesprochen, einen Ende 2019/Anfang 2020 angelegten, pädagogisch angemessenen Weg der ruhigen Aufarbeitung eventueller Probleme kontinuierlich und zielbewusst weiterzugehen. Mit der Suspendierung und späteren Kündigung der Schulleiter eskalierte der Konflikt. Inwieweit die für den Bildungsbereich zuständigen parlamentarischen Sprecherinnen der Regierungskoalition aus SPD, Grünen und Linken dazu beigetragen haben bleibt im Ungewissen.
Unstrittig dürfte sein, dass das Beharren der Bildungsverwaltung auf immer weitere Prozessinstanzen den Steuerzahler überaus teuer zu stehen kam. Und das war vorhersehbar! Sehr bald hätte man einschätzen können, dass die Prozesse für das Land Berlin nicht zu gewinnen waren. Immer wieder machten die Richter/innen klar, dass das Verfahren schon allein aus formalen Gründen, die in Fristversäumnissen begründet waren, nicht zu gewinnen war. Aber auch inhaltliche Absurditäten ließen, wie ich selbst hörte, eine Richterin an die Anwälte des Landes Berlin appellieren: „(…) Sie haben ja inhaltlich gar nichts vorzuweisen, keine Fakten, alles heiße Luft! (…) “
Die Verantwortlichen des Landes Berlin sind in die „Causa Ballettschule“ nicht etwa unglücklich hineingestolpert, sondern sie sind den Weg stur, unbeirrt und damit fahrlässig gegangen. Sie tragen somit die volle Verantwortung für ihre Entscheidungen. In einer Verhandlung, der ich beiwohnte, sprach die Vorsitzende Richterin sogar von „Rechtsmissbrauch“.
Wenn es um die Verschwendung großer Mengen an Steuergeldern geht, bleibt im politischen Raum der Rücktritt; das hat sich allerdings in diesem Fall von selbst erledigt, die SPD-Genossinnen Sandra Scheeres und Beate Stoffers wurden abgewählt. Dennoch sollte an eine Wiedergutmachung, etwa im Sinne eines Schadensersatzes, gedacht werden! Da sind Rechnungshof und Staatsanwaltschaft gefragt. Dabei scheint eine schlüssige Einschätzung dahingehend unumgänglich, ob diese Verantwortungsträgerinnen wissentlich und willentlich falsch handelten; Unfähigkeit ist nicht strafbar.
Aber auch die Helfeshelfer der Bildungsverwaltung in diesem unsäglichen Prozess der Denunziation gehören in die Verantwortung genommen:
- die Mitglieder der sogenannten Expertenkommission, die vermeintliche Mängel in Stabels und Seyfferts dienstlichem Verhalten zu erkennen glaubten und dabei den Nachweis dessen schuldig blieben,
- Gleiches gilt in abgeschwächter Form auch für die Mitglieder der „Clearingstelle“,
- die zuständige Schulaufsichtsbeamtin, die durch „Rückzug“ auffiel,
- der zuständige Abteilungsleiter, der „von heute auf morgen“ eine in seinen Augen etablierte Vorzeigeschule in eine Schule mit erheblichem Beratungsbedarf beförderte.
Es bleibt zu hoffen, dass all diese Personen den Kollegen Stabel und Seyffert wenigstens öffentlich ihr Bedauern ausdrücken.
Frustrierte Brücken warten in freier Landschaft auf eine Anbindung. Menschen dürfen in Konflikten Hoffnung haben, dass Brücken wieder verbinden. Da allerdings in der „Causa Ballettschule“ nicht damit zu rechnen ist, dass die Protagonisten in der Bildungsverwaltung des Landes Berlin diesen Weg selbstkritisch finden werden – dies wurde mir auf Anfrage schriftlich mitgeteilt – sollten wir steuerzahlenden Bürgerinnen und Bürger handeln.
Ich fordere strafrechtliche Aufarbeitung!
Dr. Rüdiger Barney, Jahrgang 1948, ist Sporthistoriker und leitete 17 Jahre als Direktor die Poelchau-Oberschule, eine Eliteschule des Sports und Eliteschule des Fußballs in Berlin. In seinem 2024 veröffentlichten Sachbuch Ein bequemes System macht bequem blickt er hinter die Kulissen der Eliteschulen des Sports.